Deckel als Neujahrskracher
BZ-SERIE zur Geschichte der Karl-Friedrich-Straße (III): Erinnerungen an die Schulzeit.
EMMENDINGEN. Wenn man sich mit der Stadtgeschichte beschäftigt, ergeben sich immer wieder Bezüge und Parallelen zu Gegenwart und Zukunft. Dies ist auch der Anlass für die Veröffentlichung der von Bernd Kellner verfassten Serie zur Geschichte der Karl-Friedrich-Straße, die derzeit in aller Munde ist: Diskussion um den Schulverkauf, weniger Gasthäuser, dafür neue Nutzungen in zahlreichen Geschäftshäusern und und...
Mit der Karl-Friedrich-Straße und ihren "Bächli" ist manche Erinnerung verbunden. Die Dolendeckel ersetzten in der Besatzungszeit an Neujahr die verbotenen Knaller: Sie wurden mit einigem Kraftaufwand seitlich angehoben und dann losgelassen. Ihr Stahlgewicht prallte mit einem durch die ganze Straße hallenden Getöse in das Granitbett zurück, was beiden offensichtlich nicht schadete. Ein weiteres, weithin hörbares Geräusch in der mittleren Karl-Friedrich- Straße kam aus der Kegelbahn beim "Schaffhauser". Da die erweiterte Straße der Vorstadt dort aufhörte, begann der engere Teil mit einem sehr schönen Biergarten. Über ihm spendeten im Sommer die für einen Biergarten typischen Kastanienbäume Schatten. Dahinter stand die letzte von mehreren Kegelbahnen in Niederemmendingen; sie war noch bis in die fünfziger Jahre in Betrieb. Die rollenden Kugeln, die fallenden Kegel und das dabei entstehende sonderbar klirrende Geräusch waren in der ganzen Nachbarschaft zu hören.
Werbung
Bevor die untere Karl-Friedrich-Straße anfangs der 1960er Jahre verbreitert und die ganze Straße asphaltiert wurde, war sie mit schwarzblauen Basalt-Kopfsteinen gepflastert. Bei Nässe waren sie gefährlich rutschig, und ihr Profil neigte sich nach beiden Seiten, damit das Wasser besser in die Bächli ablaufen konnte. Die Emmendinger Vorstadt reichte bis zum "Alten Ochsen" auf der östlichen und dem Anwesen Hodel auf der westlichen Seite. Nur so weit war auch die Straße breit. Oberhalb des Schaffhausers machte der kleine Wasserlauf eine S-Kurve, die "Schlenker" genannt wurde, und verschwand kurz danach an der Ecke zur Mundingerstraße unter einem großen Dolendeckel. Auf der anderen, geraden Seite lief er noch um den Müllerbeck herum in die Neustraße, um dort ebenso im Boden zu verschwinden. Die Kurve vor der Ecktreppe zur Bäckerei war mit einem gebogenen, besonders schön verzierten Dolendeckel überdeckt. Nach schweren Regengüssen fassten die unterirdischen Ableitungen in den Mühlbach die Bächli-Wässer nicht mehr, und die ganze Kreuzung stand unter Wasser, bevor es über die Neustraße abfloss.
Vor diesem schwarzen Mann hatte keiner Angst
Bei der Shell-Tankstelle Steinle, neben dem Müllerbeck, lagen über der ganzen Bächlilänge Zementplatten, unter denen manchmal etwas hängen blieb und das Wasser zurückstaute. Das Hindernis wurde dann mit einer langen, eisernen Stange, an deren Ende Meister Steinle für diesen Zweck einen Haken geschweißt hatte, beseitigt, was immer eine aufregende Aktion war. Ebenso lief alles zusammen, wenn der "schwarze Mann" der Schuhpflege-Firma Nigrin auftauchte. Er trug einen Zylinderhut und ein riesiges, rundes Nigrin-Reklameschild auf dem Rücken und lief auf hohen Stelzen.
Für die Schulbuben waren die Bächli eine beliebte Sommerbeschäftigung. Barfuß von der Karl-Friedrich-Schule mit ihren geölten Holzböden kommend, stauten sie mit unseren kleinen Füßen das Wasser.
Von Spucknäpfen und fliegenbesetzten Holztoiletten
In der Karl-Friedrich-Schule standen damals übrigens noch Spucknäpfe in den Ecken und jeder Gang in die grüne, fliegenbesetzte Holztoilette hinter der Schule war ein Opfergang.
Das Spiel im Bächli ergab eine Welle. Neben der rannten die Buben her und schauten, ob sie von der nächsten eingeholt wurde, die der Hintermann laufen ließ. Sie gaben auch Kommandos, um das zu regulieren. Das "Aahalte!" und "Renne lo!" klingt heute noch in den Ohren. Und eines Tages - wohl nach den großen Ferien - waren es aus mit diesem Spiel. Die Füße passten nicht mehr in den Bächli-Querschnitt. Sie waren zu groß.
– Der Autor ist Mitglied der Hachberg-Bibliothek, die im Anwesen Leonhardt Quellen zur Regionalgeschichte sammelt, auf die er ebenso zurückgreift wie auf eigene Erinnerungen. Der komplette Beitrag erscheint in der Emmendinger Chronik, die es beim Neujahrsempfang der Stadt am 12. Januar und danach in Rathaus und Verwaltungsstellen gibt.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen