Samstag, 24. Dezember 2011

Ein Christbaum für Schrankenwärter

Ein Christbaum für Schrankenwärter

EMMENDINGEN VOR 50 JAHREN: An der berüchtigten Europaschranke machten es sich die Bahnbeamten so gut es ging gemütlich.

  1. Heiligabend vor der Bretterbude: Emmendinger Schrankenwärter hatten keinen leichten Job. Foto: Armin E. Möller

EMMENDINGEN. Ein Weihnachtsbaum musste einfach sein – auch wenn es sonst wenig weihnachtlich bei der Bahn zuging. Mehr als drei Dutzend Schrankenwärter arbeiteten bis Ende der 1960er Jahre im Schichtbetrieb. Emmendingen war wegen seiner Bahnschranken berüchtigt. Am Übergang Bahnhof, wo die damals sehr befahrene Bundesstraße 3 die Bahn kreuzte – beides höchst wichtige Nord-Süd-Verbindungen – stauten sich die Autoschlangen vor den oft geschlossenen Schranken bis nach Gundelfingen oder bis nach Kenzingen.

Die Autobahn war erst im Bau, aber die Motorisierung hatte schon kräftig eingesetzt. Ortskundige wichen, wann immer es möglich war, auf den Bahnübergang Markgrafenstraße aus – mit dem Ergebnis, dass sich auch hier Monsterschlangen bildeten. Außer an den drei Übergängen in der Kreisstadt selbst – das Zentrum für Psychiatrie hatte seine eigene Zufahrtsstraße und entsprechend eine eigene Schranke, später wurde daraus eine Bahnunterführung -– wurden auch in Kollmarsreute und in Teningen die Schranken für jeden Zug hinab gelassen, und wenn die roten Schlussleuchten der Bahn zu sehen waren, wieder geöffnet.

Werbung


Die Schrankenwärter mussten Muskelarbeit leisten. Wenn über die Meldestrecken – an jedem Bahnübergang gab es Läutewerke, die Züge mit Glockenklang ankündigten – ein herannahender Zug gemeldet wurde oder über das bahnamtliche BASA-Telefon gemeldet wurden, mussten die Schrankenwärter die Kurbeln vor ihren Schutzhäuschen bedienen. Schranken wurden herunter- und herauf gekurbelt und das per Hand. An der Markgrafenstraße und an der Bahnhofsstraße wurden gleich zwei Kurbeln gleichzeitig betätigt. Die Schrankenwärter arbeiteten beidhändig. Außer der großen Schranke, mit der die Straße abgesperrt wurde, gab es noch eine kleine Schranke für den Fußgängerübergang.

Die Arbeit war schlecht bezahlt und verantwortungsvoll. Am Bahnübergang Bahnhofsstraße kam es zu tödlichen Unfällen, weil die Schranke zu spät geschlossen wurde. Die Schrankenwärterhäuschen – Bretterbuden mit Tisch Stuhl und Kohleofen – waren alles andere als gemütlich. Hier am Heiligen Abend Dienst tun zu müssen – die Züge fuhren auch in dieser Nacht nach Plan – war hart. Damit es wenigstens ein wenig weihnachtlich wurde, besorgten sich die Bahnler Weihnachtsbäume, die am Schrankenwärterhäuschen aufstellten. An elektrische Lichterketten war dabei nicht zu denken – vor 50 Jahren benutzte man überall Stearin-, oder wenn’s besonders feierlich werden sollte, Bienenwachskerzen. Für den Straßenschmuck wurden Ketten mit ganz normalen Glühbirnen verwendet, wie sie damals noch in Emmendingen selbst von der Firma Litec hergestellt wurden. Da in der Schutzhütte der Schrankenwärter kein Platz für einen Baum war, wurde der Baum einfach davor aufgestellt. An Kerzen war da nicht zu denken – aber manchmal – wie auf unserem Bild vom damaligen Bahnübergang Markgrafenstraße– sorgte kräftiger Schneefall für weihnachtliche Stimmung ein paar Meter von den Gleisen entfernt.

Heute ist das Vergangenheit. Die Bahn finanzierte zwei Brücken und eine Bahnunterführung mit, auch um in Emmendingen Personal zu sparen. Weil dazu die Stadt Emmendingen ihren finanziellen Beitrag leisten musste, sind die genauen Baukosten bekannt. Die wichtigste Überführung, die den alten Friedhof kreuzt, kostete ohne Nebenbauten sechs Millionen Euro. Aus heutiger Sicht ein Schnäppchen! Noch ist für Radfahrer und Fußgänger gut zu erkennen, wo es Bahnübergänge in der Kreisstadt gab.

Autofahrer merken davon nichts mehr. Sie fahren seit mehr als 40 Jahren auf Brücken über die Bahn hinweg oder auf Unterführungen – am Bürkle – unter ihr hindurch. Damit Fußgänger und Radfahrer keine allzu großen Umwege machen mussten, wurde am Bahnhof dort eine Fußgängerunterführung gebaut, wo es einst den beschrankten Bahnübergang gab. Dabei wurde darauf geachtet, dass er groß genug wurde, um im Notfall auch mit Rettungswagen hindurch fahren können. An der Markgrafenstraße wurde ein Bahnwärter-Wohnhaus abgerissen um einen Übergang – damals nach dem Bürgermeister als "Karl-Faller-Schnecke" verspottet – bauen zu können. Weihnachtsbäume werden direkt an der Bahn nicht mehr aufgestellt. Wozu auch, es gibt ja auch keine Schrankenwärter mehr, die sich daran erfreuen können.

Mittwoch, 2. Februar 2011

EMMENDINGEN Die "Bremse Europas"

Die "Bremse Europas" sorgt für lange Staus

EMMENDINGEN VOR 50 JAHREN:Bahnübergang war berüchtigt.

  1. Eine Stunde Wartezeit an der Schranke war keine Seltenheit. Foto: Armin E. Möller

  2. Zug folgt auf Zug: Die Rheintalbahn sorgte in den 60er Jahren für dicke Staus in der Emmendinger Innenstadt. Foto: Armin E. Möller

  3. Eine Stunde Wartezeit an der Schranke war keine Seltenheit. Foto: Armin E. Möller

  4. Zug folgt auf Zug: Die Rheintalbahn sorgte in den 60er Jahren für dicke Staus in der Emmendinger Innenstadt. Foto: Armin E. Möller


Anfang der 1960er Jahre gab es noch keine Autobahn dafür aber machte sich der Autoboom dieser Jahre bemerkbar. Wer es sich leisten konnte oder ausreichend Kredit bekam, schaffte sich einen Wagen an. Zusätzlich nahm der Lastwagenverkehr zu – man erlebte schließlich die Spätphase des Wirtschaftswunders. Deshalb auch setzte die Bahn zusätzliche Güterzüge ein. Zug folgte auf Zug und die Eisenbahner hatten alle Mühe den wachsenden Güter- und Personenverkehr auf der Schiene zu bewältigen.

Auf der Straße wurde es eng. Durch Emmendingen musste wer von Nord nach Süd oder umgekehrt wollte. Das galt für die Eisenbahn genauso wie für den Autoverkehr. Dazu gab es viele Berufspendler und Regionalverkehr, die zusätzlich auf der Straße unterwegs waren. All diese Verkehrsströme trafen in Emmendingen aufeinander, wo die überlastete Bundesstraße 3 über die stark frequentierte Bahnlinie geführt wurde.

Ständig mussten die Bahnschranken geschlossen werden und blieben hin und wieder länger zu, weil nach einem Zug ein zweiter in der jeweils anderen Richtung abgewartet werden musste. Das hielt den Verkehr auf. Gewaltige Staus waren die Folge. Zu normalen Zeiten standen die Autos bis auf die Freiburger Straße oder aber warteten auf der Karl-Friedrich-Straße auf den nächsten Schub, der die Bahnüberführung passieren konnte. Wenn aber zu Ferienzeiten halb Deutschland in Richtung Süden unterwegs war oder gegen Ferienende von dort zurück kehrte, dann begann der Emmendinger Stau bereits in Gundelfingen oder – von Norden her – schon gleich vor Herbolzheim. Man musste mit etwas Pech auf der Straße eine Stunde Wartezeit im Auto absitzen, bevor es dann wieder weiter ging. Das Fahrrad war damals ein durchaus schnelles Verkehrsmittel.

Emmendingen war wegen dieser Staus eine bundesdeutsche Berühmtheit. Für Fernfahrer war die Stadt nur "Emmendingen an der Schranke". Die Frankfurter Allgemeine Zeitung, die über die unausweichlichen Verzögerungen hier berichtete schrieb sogar von der "Bremse Europas", womit die Verkehrsverhältnisse von Emmendingen gemeint waren.

All das endete erst, als sowohl die Autobahn und zum Jahresende 1968 auch die Emmendinger B3-Brücke über die Bahn fertig wurde, wobei die Einweihung durch Arbeiten an den Zubringerstraßen vom Bahnhof und von der Markgrafenstraße her noch hinausgezögert wurde. Heute endet die Bahnhofsstraße, die von den Gleisen zweigeteilt wird, von zwei Seiten an der Bahn. Für Fußgänger und Radfahrer gibt es hier eine Unterführung. Der Autoverkehr wird über die Brücke ein paar Meter weiter geleitet, soweit die Autofahrer nicht gleich entlang der Elz die Stadt umfahren.